Umgang mit Medien im Baby- und Kleinkindalter
- Daniela Schramm

- 7. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Warum Beziehung wichtiger ist als Bildschirme
Die Welt, in der unsere Kinder aufwachsen, ist voller Bildschirme – vom Handy über den Fernseher bis hin zu Tablets und sprechenden Spielzeugen. Doch besonders in den ersten Lebensjahren entscheidet sich, wie gut ein Kind später sprechen, sich konzentrieren und Beziehungen gestalten kann. Und genau hier spielt es eine zentrale Rolle, wie viel echte Kommunikation und gemeinsame Zeit Eltern ihrem Kind schenken – und wie bewusst sie den Umgang mit Medien gestalten.
Frühe Kindheit: Die Zeit der echten Begegnung
In den ersten Lebensjahren wächst das Gehirn eines Kindes rasant. Milliarden von Nervenzellen verknüpfen sich miteinander – und das geschieht vor allem durch Beziehung und Interaktion. Wenn Eltern mit ihrem Baby sprechen, Blickkontakt halten, singen, spielen oder auf Laute reagieren, entsteht eine Art „Ping-Pong-Spiel“ der Kommunikation. Diese wechselseitige Reaktion nennt die Entwicklungspsychologie „serve and return“ – ein Begriff, den das Harvard Center on the Developing Child geprägt hat. Sie ist der wichtigste Motor für die emotionale, sprachliche und soziale Entwicklung eines Kindes. Kein Bildschirm der Welt kann dieses feinfühlige Zusammenspiel ersetzen.
Kinder brauchen Menschen, die auf sie eingehen – keine Geräte, die sie berieseln. Studien zeigen, dass selbst Hintergrundfernsehen oder ein laufendes Handygespräch im Raum die Interaktion zwischen Eltern und Kindern verringern kann. Eltern sprechen in solchen Momenten bis zu 90 % weniger mit ihrem Kind, was sich direkt auf die Sprachentwicklung auswirken kann (vgl. American Academy of Pediatrics, 2016).
Was sagen Wissenschaft und Leitlinien?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, Kinder unter einem Jahr gar keinen Bildschirmzeiten auszusetzen – mit einer einzigen Ausnahme: Videochats, bei denen das Kind gemeinsam mit einer vertrauten Person in Kontakt mit z. B. Großeltern tritt. Für Kinder zwischen 2 und 5 Jahren gilt: maximal eine Stunde pro Tag, und auch diese Zeit sollte begleitet werden. Wichtig ist dabei die Qualität – also was geschaut wird, und dass Eltern mit dabei sind.
Auch die American Academy of Pediatrics (AAP) rät, Medien erst ab etwa 18 bis 24 Monaten einzusetzen – und dann nur in kleinen, gemeinsam gestalteten Momenten. Entscheidend ist nicht die Stoppuhr, sondern das Wie: Eltern sollen erklären, Fragen stellen, Dinge nachspielen und die Inhalte mit der echten Welt verknüpfen.
In Deutschland betont die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): „Je weniger Bildschirmzeit im Kleinkindalter, desto besser.“ Kinder sollen reale Erfahrungen machen – mit Händen, Füßen, Sinnen und echten Menschen. Medien können ab dem Kindergartenalter ergänzend eingesetzt werden, aber nicht als Babysitter oder Hintergrundgeräusch.
Wenn der Bildschirm zum Risiko wird
Zu viel oder unbegleitete Mediennutzung im frühen Alter kann nachweislich mit Sprachverzögerungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafproblemen und emotionaler Unruhe zusammenhängen. Besonders kritisch ist die Nutzung kurz vor dem Einschlafen – das blaue Licht der Bildschirme hemmt die Ausschüttung von Melatonin und stört so den natürlichen Schlafrhythmus. Kinder brauchen abends Ruhe, Rituale und Nähe – keine Reize.
Ebenso wichtig: Das Kind beobachtet ständig seine Bezugsperson. Wenn Mama oder Papa häufig auf das Handy schaut, fühlt sich das Kind emotional „nicht gesehen“. Das kann langfristig das Sicherheitsgefühl beeinträchtigen. Hier gilt: Das eigene Medienverhalten wirkt immer als Vorbild.
So gelingt eine gesunde Medienbalance
Es geht nicht darum, Medien zu verteufeln – sie sind Teil unseres Alltags. Entscheidend ist, wie bewusst wir sie einsetzen. Bildschirmzeit kann zu einem schönen gemeinsamen Moment werden, wenn Eltern sie aktiv begleiten, mitreden und danach an das Gesehene anknüpfen.Ein kurzer Trickfilm über Tiere kann zum Beispiel Anstoß für gemeinsames Nachspielen, Malen oder Fragen stellen werden: „Was hat der Elefant da gemacht?“, „Wie hat er sich gefühlt?“ – so wird aus Medienzeit echte Lernzeit.
🟢 Checkliste: Bewusster Umgang mit Medien in der Familie
1. Beziehung zuerst💬 Täglich echte Gespräche, Blicke, Gesten – das ist das „Vitamin“ für Gehirn und Herz.
2. Medienfreie Inseln schaffen🍽️ Kein Handy beim Essen, Kuscheln, Wickeln oder Einschlafen. Diese Zeiten sind reserviert für Nähe.
3. Qualität statt Quantität🎬 Lieber selten, dafür gemeinsam und mit guten Inhalten (ruhige Sprache, wenig Reizüberflutung, keine Werbung).
4. Co-Viewing – gemeinsam erleben👩👧 Eltern sitzen mit dabei, erklären, fragen, lachen mit. Danach kann das Kind Szenen nachspielen oder malen.
5. Rituale statt Dauerbeschallung📆 Feste Zeiten geben Sicherheit. Bildschirm aus, wenn das Kind müde, unruhig oder überreizt wirkt.
6. Vorbild sein📱 Eigene Nutzung prüfen – Kinder lernen nicht, was wir sagen, sondern was wir tun.
7. Abendruhe respektieren🌙 Mindestens 1 Stunde vor dem Schlafengehen bildschirmfreie Zeit. Vorlesen, erzählen, kuscheln – das beruhigt.
8. Familien-Medienplan erstellen📝 Ein einfacher Plan (z. B. von der AAP online) hilft, klare und stressfreie Strukturen zu schaffen.
Fazit
Das beste „Programm“ für Babys und Kleinkinder läuft nicht auf einem Bildschirm – es findet zwischen Eltern und Kind statt. Kinder lernen, wenn sie spüren: Ich werde gesehen, gehört und verstanden. Diese Beziehung ist das Fundament für emotionale Stärke, Sprache, Kreativität und Empathie. Digitale Medien können später eine sinnvolle Ergänzung sein – aber in der frühen Kindheit bleibt die echte Verbindung von Mensch zu Mensch das Wertvollste, was Eltern schenken können.





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