Vorlesen für Kinder – warum gemeinsame Geschichten mehr sind als Worte
- Daniela Schramm

- 22. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Wie Nähe, Sprache und Fantasie Hand in Hand wachsen
Es ist ein stiller Moment. Ein Kind kuschelt sich an, das Buch knistert leicht beim Aufschlagen, und während die ersten Worte erklingen, entsteht Magie – unsichtbar, aber tief spürbar.Vorlesen ist viel mehr als Sprachförderung. Es ist Beziehung, Geborgenheit und Weltentdeckung in einem.
❤️ Sprache wächst aus Beziehung
Kinder lernen sprechen, weil jemand mit ihnen spricht – nicht, weil sie Fernseher, Hörspiele oder Tablets hören.Beim Vorlesen spürt das Kind: Da ist jemand, der sich Zeit nimmt. Der bei mir ist.Dieses Gefühl legt das Fundament für Vertrauen und für die Freude an Sprache.Worte werden lebendig, wenn sie mit Wärme und Blickkontakt gefüllt sind.
🌱 Warum Vorlesen so wichtig ist
Es fördert die Sprachentwicklung: Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, haben einen deutlich größeren Wortschatz.
Es trainiert Konzentration und Vorstellungskraft – beim Zuhören entstehen innere Bilder, die Fantasie erwacht.
Es stärkt emotionale Kompetenz: Geschichten helfen, Gefühle zu verstehen, zu benennen und mit ihnen umzugehen.
Es verbindet Generationen: Vorlesen schafft Nähe zwischen Eltern, Großeltern und Kindern – über alle Altersgrenzen hinweg.
Und nicht zuletzt: Es macht glücklich. Gemeinsam in eine Geschichte einzutauchen, still zu lachen, zu staunen oder zu trösten, ist ein tiefes Beziehungserlebnis.
🌙 Rituale schaffen Sicherheit
Gerade abends, wenn der Tag zur Ruhe kommt, kann Vorlesen zu einem liebgewonnenen Ritual werden.Ein vertrauter Rhythmus – Zähneputzen, Pyjama, Buch – gibt Halt.Kinder, die solche Rituale erleben, fühlen sich getragen und geborgen. Sie spüren: Ich bin gesehen. Ich bin wichtig.
📚 Welche Bücher eignen sich?
Für die Kleinsten: einfache Geschichten aus dem Alltag, klare Bilder, wiederkehrende Reime
Ab zwei Jahren: kurze Erzählungen mit klaren Figuren, kleine Abenteuer, Gefühle, Freundschaft
Später: Bücher, die Werte vermitteln – Freundschaft, Mut, Gerechtigkeit, Naturverbundenheit
Wichtig ist weniger, was du liest, sondern wie: mit Zeit, mit Ruhe, mit echter Aufmerksamkeit.Ein Kind spürt sofort, ob du beim Herzen oder mit dem Handy dabei bist.
💡 Ein kleiner Impuls für Eltern
Vielleicht ist das tägliche Vorlesen nicht immer möglich – aber schon wenige Minuten, regelmäßig, machen einen Unterschied.Es geht nicht um Leistung, sondern um Begegnung.Wenn dein Kind sich sicher fühlt, wenn du mit ihm lachst, staunst oder einfach still bist – dann geschieht das Wesentliche.
✨ Fazit
Vorlesen ist eine Liebeserklärung an die Kindheit.Es schenkt Sprache, Fantasie und Geborgenheit – drei Geschenke, die ein Leben lang tragen.Und manchmal ist das schönste Kapitel nicht das im Buch, sondern das, das im Herzen weitergeschrieben wird.
💡 Praxistipps: Wie Vorlesen im Familienalltag gelingt
🕯️ 1. Schaffe kleine Rituale
Ein fester Moment am Tag – nach dem Frühstück, vor dem Mittagsschlaf oder abends vor dem Zubettgehen – hilft Kindern, sich auf das Vorlesen zu freuen. Rituale geben Struktur und Sicherheit.
📚 2. Wähle Bücher, die zur Lebenswelt deines Kindes passen
Kinder lieben Geschichten, in denen sie sich wiederfinden: Alltag, Tiere, Freundschaft, kleine Abenteuer. So erkennen sie sich im Geschehen wieder – und lernen über sich selbst.
🤍 3. Lies mit Herz, nicht mit Hast
Es geht nicht darum, möglichst viele Seiten zu schaffen. Pausen, Blicke und gemeinsames Staunen sind oft wichtiger als das Ende der Geschichte.
🗣️ 4. Sprich über das, was ihr lest
Frag dein Kind, was es sieht, denkt oder fühlt. So werden Geschichten zu echten Gesprächen – und fördern Sprachverständnis, Empathie und Bindung.
🌙 5. Gestalte Vorlesen gemütlich
Ein ruhiger Ort, eine Decke, eine Kerze oder ein Nachtlicht – das schafft eine liebevolle Atmosphäre. Je wohler ihr euch beide fühlt, desto stärker wirkt der Moment.
🌈 6. Wiederholung ist willkommen
Kinder lieben es, dieselbe Geschichte immer wieder zu hören. Wiederholungen geben Sicherheit und helfen beim Spracherwerb – auch wenn es für Erwachsene manchmal monoton erscheint.
👶 7. Schon Babys profitieren
Auch kleine Babys lauschen dem Klang der Stimme, spüren Nähe und lernen Sprachrhythmus. Es muss kein „richtiges“ Buch sein – manchmal genügt eine Reimgeschichte oder ein einfaches Bilderbuch.
💬 8. Lesevorbilder wirken
Wenn Kinder sehen, dass Eltern selbst lesen oder Freude an Büchern haben, übernehmen sie dieses Verhalten. Ein sichtbares Bücherregal oder eine kleine „Leseecke“ wirkt oft Wunder.
💞 9. Mach’s persönlich
Selbst erfundene Geschichten, kleine Erlebnisse aus dem Alltag oder Erzählungen über das Kind selbst stärken die Bindung und regen die Fantasie an.
🌿 10. Weniger Bildschirm, mehr Stimme
Ein Buch kann, was kein Bildschirm je ersetzen kann: Wärme, Blickkontakt, Zuwendung. Kinder brauchen echte Stimmen – keine synthetischen.
✨ Fazit
Vorlesen muss kein großes Projekt sein – es darf leicht, unperfekt und lebendig sein.Ein paar Minuten täglich reichen, um Sprache, Bindung und Fantasie wachsen zu lassen. Wichtiger als jedes Buch ist die Liebe, mit der du es öffnest.
📚 Wundervolle Vorlesebücher für kleine und große Kinderohren
👶 Für die Allerkleinsten (ab 6 Monaten bis ca. 2 Jahre)
„Alle müssen gähnen“ von Anita Bijsterbosch – ein charmantes Mitmachbuch mit klaren Bildern und liebevollen Wiederholungen.
„Guten Morgen, lieber Tag“ von Eric Carle – sanfte Illustrationen und kurze Texte begleiten Babys durch den Alltag.
„Mein erstes Wörterbuch“ von Rotraut Susanne Berner – alltägliche Szenen in einfacher Sprache, ideal zur Sprachförderung.
„Wer versteckt sich?“ von Ingela P. Arrhenius – Fühlelemente und Spiegel überraschen kleine Entdecker immer wieder.
🧸 Für Kleinkinder (2–4 Jahre)
„Der kleine Bär und sein kleines Boot“ von Eve Bunting – eine poetische Geschichte über Loslassen und Wachsen.
„Für Hund und Katz ist auch noch Platz“ von Axel Scheffler & Julia Donaldson – Reime, Rhythmus und Humor.
„Ich bin das kleine Ich bin ich“ von Mira Lobe – stärkt Selbstwertgefühl und Identität.
„Mama Muh und die Krähe“ von Jujja Wieslander – liebevoll, schwedisch, klug und witzig.
„Die kleine Raupe Nimmersatt“ von Eric Carle – ein Klassiker über Entwicklung und Wandel.
🌈 Für Kindergartenkinder (4–6 Jahre)
„Der Grüffelo“ von Julia Donaldson – Mut, Klugheit und Sprachwitz in einem.
„Frederick“ von Leo Lionni – über Fantasie, Kreativität und die Schönheit des Andersseins.
„Das kleine Wir“ von Daniela Kunkel – erklärt Nähe und Freundschaft auf kindgerechte Weise.
„Irgendwie Anders“ von Kathryn Cave – ein zartes Buch über Zugehörigkeit und Toleranz.
„Ich bin der kleine Angsthase“ von Elizabeth Shaw – Mut machend und zeitlos.
✨ Für Vorschulkinder (5–7 Jahre)
„Die große Wörterfabrik“ von Agnès de Lestrade – poetisch, still, tief berührend.
„Das Neinhorn“ von Marc-Uwe Kling – herrlich komisch, wortspielerisch und selbstbewusst.
„Der Dachs hat heute schlechte Laune“ von Moritz Petz – Emotionen erkennen und annehmen.
„Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse“ von Christine Nöstlinger – warmherzig, klug, gesellschaftskritisch.
„Pettersson und Findus – Wie Findus zu Pettersson kam“ von Sven Nordqvist – Freundschaft, Chaos und Liebe in Bildern.
💞 Und für alle: Bücher, die einfach gut tun
„Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?“ – über Zuneigung in sanften Worten.
„Wenn kleine Tiere schlafen gehen“ – ein Klassiker zum Runterkommen.
„So schön ist die Welt“ von Sam McBratney – ein poetisches Buch über Staunen und Dankbarkeit.
🌿 Daniela empfiehlt
Weniger ist mehr. Lieber ein Buch, das wirklich gemeinsam lebt – das gelesen, besprochen, gefühlt und immer wieder hervorgeholt wird – als ein Stapel ungelesener Geschichten.Bücher sind kleine Fenster in die Welt – und jedes Vorlesen ist ein Stück Beziehungspflege.





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